Information Nr. 6.2:
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Wo, Warum und Wie Schimmel sanieren?
Aktuelle Richtlinien und umweltmedizinische Sicht
1. Wirkungen von Schimmelpilzen auf den Menschen
Sporen und Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen können, über die Luft eingeatmet, allergische und reizende Reaktionen bzw. Symptomenkomplexe bei Menschen auslösen. Hierzu zählen allergische Reaktionen, reizende und toxische Wirkungen und sogenannte pulmonale Mykosen (Infektionen durch Schimmelpilze). Die häufigsten bei Schimmelpilzbelastungen im Innenraum beschriebenen Symptome sind unspezifisch, so zum Beispiel Bindehaut-, Hals- und Nasenreizungen sowie Husten, Kopfweh oder Müdigkeit.
Epidemiologische Studien zu gesundheitlichen Auswirkungen durch Schimmelpilze belegen einen Zusammenhang zwischen luftgetragenen mikrobiologischen Stoffen in der Innenraumluft und Atemwegsbeschwerden. Durch mycotoxische Einwirkungen kommt es zu allergischen Reaktionen oder anderen Nebenwirkungen. Insbesondere eine längere Schwächung des Immunsystems führt zu weiteren unspezifischen Symptomen (u.a. Müdigkeit oder Gelenkschmerzen), die meist nur von spezialisierten Medizinern erkannt werden können.
Auch unsichtbare und abgestorbene Mikroorganismen können krank machen!
Eine Gesundheitsgefahr durch Schimmelpilze und Bakterien wird häufig nur bei sichtbaren Verfärbungen auf Oberflächen (z.B. Tapeten) vermutet. Die Mehrzahl der Fälle (ca. 85%) sind aber „unsichtbare“ bzw. versteckte Schäden, die gleichwohl ebenso eine gesundheitliche Bedeutung haben, denn deren Stoffwechselprodukte können fast alle Baumaterialien durchdringen und in Wohn- und Aufenthaltsräume ausgasen.
Weiter wird übersehen, dass auch von abgestorbenen Mikroorganismen, wie von Stücken der Myzele, Sporen oder gasförmigen Abbauprodukten, noch jahrzehntelang Stoffwechselprodukte abgegeben werden, die zu gesundheitlichen Problemen führen können.
Grundsätzlich hängt die dominierende toxische Belastung nicht nur von den Spezies ab, sondern von den sehr unterschiedlichen (evtl. sogar chemisch behandelten) Materialien (Nährstoffen) und den daraus entstehenden unterschiedlichen Stoffwechselprodukten.
Achtung: Trocknungs- und / oder Desinfektionsmittel haben vielleicht eine Abtötung, aber keine Entfernung von Pilzen und Bakterien zur Folge und verhindern keine Ausgasungen in die Raumluft!
2. Aus: Schimmelleitfaden des Umweltbundesamtes (11.2017)[1] zu gesundheitlichen Fragen
„Schimmelwachstum im Innenraum ist als Gesundheitsrisiko zu betrachten, auch ohne dass ein quantitativer und kausaler Zusammenhang zwischen dem Vorkommen einzelner Schimmelpilzarten oder bestimmten biogenen Schadstoffen und Gesundheitsbeschwerden gesichert hergestellt werden kann.[....]
3. Aus: Schimmelleitfaden des Umweltbundesamtes (11.2017)1 zu Sanierungsfragen
„6.3.2 Sofortmaßnahmen: Bei einem größeren Schimmelbefall kann es erforderlich sein, Sofortmaßnahmen einzuleiten, wenn die Sanierung nicht zeitnah begonnen werden kann.“ [....]
„6.3.4 Beseitigung der Schadensursachen: Die Ursachen für die erhöhte Feuchte müssen erkannt und behoben werden. Baumängel bzw. Bauschäden sind zu beseitigen. Feuchteschäden aus Havarien (Überschwemmung, Leckstellen) sind schnellstmöglich zu trocknen, um Schimmelbefall vorzubeugen. Eine Schimmelsanierung beginnt immer mit der Klärung und Beseitigung der Ursachen für die Entstehung des Schimmelbefalls. Bei sichtbarem und bekanntem Schimmelbefall sollte dieser möglichst vor der technischen Trocknung beseitigt werden, damit die Bioaerosole nicht durch den Betrieb von Trocknungsgeräten verbreitet werden. [....]“
„6.3.6 Trocknungsmaßnahmen
[....] Mit der Trocknung soll so schnell wie möglich nach Auftreten des Feuchteschadens begonnen werden, damit sich kein Schimmel bilden kann und somit der Schaden gemindert wird.“ [....]
„Die Entfernung befallenen Materials ist grundsätzlich vor den Trocknungsmaßnahmen durchzuführen.“
[....] Eine technische Trocknung gilt als erfolgreich abgeschlossen, wenn das ehemals feuchte Bauteil soweit getrocknet ist, dass es nicht mehr zu einem mikrobiellen Befall oder einer Bauteilschädigung kommen kann und das gesamte Bauteil wieder eine normale Ausgleichsfeuchte aufweist. [....]
„Ob tatsächlich das Trocknungsziel erreicht wurde, kann fachgerecht durch Messung der Ausgleichsfeuchte mittels Sonde im zu trocknenden Bauteil – idealerweise in frisch gebohrten Löchern – kontrolliert werden.
Bei baulich und hygienisch einwandfreiem Zustand kann mit dem Wiederaufbau (bauliche Rekonstruktion) begonnen werden.“
„6.3.7 Reinigung nach Rückbau
„Nach dem Rückbau ist eine sorgfältige Reinigung der Oberflächen in den betroffenen Räumen durchzuführen. Der Einsatz von Bioziden zum Abtöten der Mikroorganismen vor dem Rückbau oder vor der Reinigung sowie eine Vernebelung von Bioziden zur Behandlung der Raumluft ist nicht erforderlich.“
„6.6 Maßnahmen nach Abschluss aller Arbeiten
„Einrichtungsgegenstände und andere Gegenstände wie Textilien oder Bücher, die während der Sanierungsarbeiten ausgelagert wurden, müssen vor dem Einbringen in den sanierten und nach Rückbau gereinigten Bereich ggf. gereinigt werden, um eine nachträgliche Kontamination durch mikrobiell belastete Stäube zu vermeiden. [....]“
4. Gemäß der am 01.09.2014 u.a. von dem BVS (Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger) veröffentlichten „Richtlinie zum sachgerechten Umgang mit Schimmelpilzschäden in Gebäuden“ „muss das Ziel nach der Instandsetzung sein, dass:
I. kein sichtbarer und/oder verdeckter Schimmelbewuchs mehr vorhanden sein darf,
II. keine auffällige biogene Raumluftbelastung und Kontamination verbleiben,
III. keine schadensbedingten Geruchsbelästigungen mehr bestehen,
IV. keine Feuchtebelastungen mehr vorhanden sind sowie
V. die Schadensursache grundlegend beseitigt ist.“
5. Bezüglich der Untersuchung und Sanierung versteckter, getrockneter und desinfizierter Belastungen einer Veröffentlichung von erfahrenen Umweltmedizinern und Toxikologen[2] zu entnehmen:
"Bei Verdacht auf mikrobielle Belastungen muss auch nach nicht sichtbarem Vorkommen gesucht werden. Alter, trockener Befall muss untersucht und dann entfernt werden, denn auch von versteckten, abgestorbenen Pilzen und Bakterien können MVOC sowie die ihnen anhaftenden Toxine in die Raumluft gelangen und Allergien oder andere Erkrankungen auslösen".
Merke: Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft wird unabhängig von der Möglichkeit einer konkreten Dosis-Wirkungsbeziehung grundlegend davon ausgegangen, dass Schimmelbelastungen gesundheitsgefährdend sind, weshalb aus diesem Grund bestehende Schimmelpilzbelastungen dauerhaft zu beseitigen bzw. zu sanieren sind.
6. Neben der Prüfung baurechtlicher Vorschriften zu den Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sollte häufiger die strafrechtliche Relevanz geprüft werden, wenn durch laienhafte Sanierungsmaßnahmen bauliche Mängel und Schimmelbelastungen nur überstrichen und / oder übergipst, d.h. kaschiert werden, und durch eine Freisetzung von Mikroorganismen bzw. toxischer Substanzen eine Gefährdung von Personen in Kauf genommen wird.
Dipl.- Ing. Klaus- Peter Böge, Schimmel- und Wohngiftambulanz, Am Pohl 56, 23566 Lübeck
Tel. 0171 3008267 www.boege-ambulanz.de Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
1 Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden (Schimmelleitfaden 11.17) des Umweltbundesamtes
[2]„Umdenken bei der Bewertung von Schimmelbefall in Innenräumen erforderlich“, herausgegeben vom Umweltausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig- Holstein und dem Institut für experimentelle Toxikologie des Universitätsklinikum Kiel (2016)